Um das vielfältige Programm erfolgreich durchzuführen, unterstützte ich gemeinsam mit elf anderen motivierten Freiwilligen aus verschiedenen Universitäten das PASCH-Team des Goethe-Instituts bei der Organisation und Betreuung der Jugendlichen. Jeder Freiwillige war für eine Gruppe von bis zu 6 Schülern verantwortlich. „Das sind jetzt unsere kleinen Brüder und Schwestern, unsere Familie für die nächsten zehn Tage“, dachte ich mir als ich sie vom Hongqiao Bahnhof in Shanghai abholte. Wir arbeiteten mit ihnen, motivierten sie, übersetzten für sie, und führten sie durch Shanghai. Ehrlich gesagt waren es nicht nur die Schüler, die Vieles dazugelernt haben. Auch wir Freiwilligen nehmen aus dem Camp viel mit. Was mir am stärksten in Erinnerung bleiben wird: Die Freude, die Neugierde und die nahezu unendliche Energie der Schüler.
Hier meine persönlichen Highlights aus dem Sommercamp:
Tag 1 – Begrüßung
„Hallo, willst du zum Goethe-Sommercamp?“ große Augen, fragende Gesichter. Ein kurzer Blick auf mein lila T-Shirt, auf dem groß „来德语吧 – Hier kommt Deutsch!“ draufsteht und dann ein zögerliches Nicken. Unsere erste Aufgabe: Alle Schüler unserer Gruppe am Bahnhof oder Flughafen einsammeln und sicher zur Fudan Universität bringen. Auf dem Weg die Standardfragen: „Wie heißt du?“, „Wie alt seid ihr?“, „Woher kommt ihr?“. Kurzes Gekicher, wahrscheinlich weil ich – ein Deutscher – Chinesisch spreche: „他说了什么?(Was hat er gesagt?)“, kurze Bedenkzeit und dann die Antworten. Meine kleine Familie für die nächsten Tage besteht aus sechs Schülern und Schülerinnen zwischen 13 und 18 Jahren, die Pasch-Schulen in Ningbo und Zhenjiang kommen.
Nun drängen sich alle 64 Schüler in ein Klassenraum. Die Organisatorin des Camps Karin Benkelmann-Zhang erläutert den Schülern mit ihrem Team, was in den nächsten Tagen auf sie zukommt. Zuerst bekommen sie aber eine gefüllte PASCH-Tasche und ein orangenes T-Shirt geschenkt. Fußballweltmeister, Sonnenschein, Schokolade, Freundschaft, Gummibärchen sind einige Wörter die ich auf dem T-Shirt sehen kann. Nun kann es beginnen. Im Einheitsdress fangen wir die offizielle Begrüßungsveranstaltung an. Grußworte der gastgebenden Fudan Universität und des Goethe-Institut China, ein kurzer Überblick der Agentur Constellations, die mit ihren Shanghai Flaneuren einige der Ausflüge am Nachmittag begleitet, und ein Bericht einer Teilnehmerin des Camps vom letzten Jahr. Wir Freiwillige bringen das Publikum mit kleinen Theatersketchen zum Lachen, die wir am Tag zuvor in einem Workshop erarbeitet bzw. selbst geschrieben haben. Ein schöner Anfang für uns alle! Danke Bele für diesen wunderbaren Workshop!
Tag 2 – „Essen und Trinken“
Nach einer kurzen Nacht sitze ich leicht schlaftrunken im Klassenzimmer „Bremen“ und hospitiere bei einer der drei Lehrerinnen des Sommercamps. Beim heutigen Thema dürfen die Schüler Schwarzbrot probieren. Neugierig greifen sie zu und zeigen deutlich mit ihrem Gesichtsausdruck, wie gut ihnen typisches deutsches Brot schmeckt. Den Worten einer Schülerin zufolge: „Unvergesslich!“
Am Nachmittag beginnt unsere erste Aktivität. Wir teilen uns auf und steigen in zwei bestellte Busse. Jeweils zwei Freiwillige und ihre Schülergruppen besuchen entweder ein deutsches Cafe, Restaurant oder eine Bäckerei. Unsere Gruppe fährt zu einem deutschen Brauhaus. Wir werden von der Managerin und einem Koch empfangen, die uns einiges über das Restaurant, die deutsche Küche, das deutsche Bier und über sich selbst erzählen. Die Schüler stellen Fragen, die Mutigen auf Deutsch. Der Erfolg – Ihre Fragen werden verstanden und ausführlich beantwortet! Zur Belohnung bestellt die Managerin einen großen Wurstteller – 4 unterschiedliche Wurstsorten, Kartoffelbrei und Sauerkraut. Guten Appetit!
Tag 4 – Deutsche Sehenswürdigkeiten
Wer nicht zum Bund gegangen ist, war nicht in Shanghai. Unsere heutige Aktivität war unter anderem eine Bootsfahrt auf dem Huangpu. Wir genießen den leichten Wellengang, die kühle Luft und lassen alle Wolkenkratzer an uns vorbeiziehen. Währenddessen erzählt uns Yolanda vom Hagen von Shanghai Flaneur etwas über den Hintergrund und die Geschichte der Gebäude. Auf einmal werden alle Schüler auf das Unterdeck des kleinen Bootes gerufen. Alle Teilnehmer drängen sich in den engen Raum und warten ab was passiert. Zwei Schüler werden in die Mitte des Raumes bestellt, die Begründung: Die Freiwilligen und Organisatoren müssen ein ernstes Wort mit beiden reden. Unwissend, was jetzt passiert, treten sie vor. Auf einmal fangen alle an zu singen: „Zum Geburtstag viel Glück, …“. Außerdem noch ein kleines persönliches Geschenk von ihrer Freiwilligen. Alles Gute zum Geburtstag!
Nach der Bootsfahrt und der Überraschung laufen wir am Bund entlang. Mir schwirrt der Kopf: „Warum laufen die beiden Schüler meiner Gruppe so weit hinten? Warum sind meine beiden kleinen Schwestern so schnell vorne? Wo ist 小猴子- „kleiner Affe“ wieder hin?“ Ein Glück halten wir an vielen Stellen vom Bund und bekommen weitere Beiträge zu hören. So können wir auch mal wieder durchatmen und „unsere Schäfchen“ zählen. Nicht immer so einfach, wenn tausend andere Menschen die gute Idee haben, den Bund zu besuchen. Eins, zwei, … fünf, sechs – Vollständig!
Tag 5 – Modenschau
Sicherlich war dieser Tag eines der Highlights des Sommercamps. Die Aktivität dieses Tages war die Vorbereitung auf die Modenschau, die am Abend stattfand. Jede Schülergruppe hatte T-Shirts und Accessoires erhalten. Nun konnten sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen und den neuesten Modeschrei designen. Es wurde gemalt, geschnitten, genäht, zerrissen. Die Models jeder Gruppe wurden geschminkt und mit weiteren Accessoires wie Sonnenbrillen, Röcke, Jacken, Smartphones, Handtaschen eingekleidet. Auch die passende Musik durfte nicht fehlen. Was für eine Performance sollte es sein? Ein typischer Modellauf? Ein Tanz, der alle in den Bann zieht? Eine theatralische Darbietung oder eine freche, aber überaus charmante Darstellung der eigenen Person? All dies kam dann abends in der Modenschau zutage und wurde von einer modebewussten Jury begutachtet. 15 Punkte - Höchstpunktzahl!
Tag 7 – Die Chatgruppe der Freiwilligen
Wir Freiwilligen waren rund um die Uhr, auch nach allen Veranstaltungen ständig in Kontakt. Ständig vibriert mein Smartphone wegen einer neuen Nachricht in der Freiwilligen-Gruppe: Wer hat den Schlüssel für Raum „Stuttgart“? Um wieviel Uhr treffen wir uns nochmal? Sind alle Schüler vollständig? Erinnert bitte eure Gruppen daran, dass wir uns heute früher treffen! Ein Schüler hat Nasenbluten, wo ist die Erste-Hilfe-Box?“ Aber auch der Spaß fehlt nicht. Besonders gerne werden ahnungslose, völlig erschöpfte und deshalb schlafende Freiwilligen von anderen Freiwilligen fotografiert und im Gruppen-Chat gezeigt. Anstrengung kann so lustig sein. 辛苦,辛苦 (xinku, xinku)
Tag 8 – Schule
Nach dem interessanten Besuch der Deutschen Schule in Puxi gab es am Abend verschiedene Vorträge über „Deutsch in Deutschland“. Unterschiedliche Programme wie Sommercamps an Goethe-Instituten, Schülerbegegnungen mit AFS und YfU, oder Studienprogramme in Deutschland wurden vorgestellt. Wir bekamen wichtige Informationen über Finanzierung, Dauer und Ablauf, sahen aber auch einen kurzen Film über chinesische Schüler, die gerade am Programm teilnehmen. Zwei ehemalige Teilnehmer, die gerade aus Deutschland zurückgekommen waren, erzählten mit motivierenden, emotionalen und persönlichen Aussagen von der Auswirkung ihrer Aufenthalte in Deutschland auf ihre Persönlichkeit und ihre Zukunft. Nach meiner Ansicht hat dieser Abend bei vielen Schülern den Wunsch geweckt, diese Erfahrungen auch machen zu wollen. Sie waren nach den Vorträgen mit ihren vielen Fragen kaum noch zu stoppen. Das Motto auf meinem Freiwilligen T-Shirt würde ich für diese Schüler gerne ändern. „来德国吧 (Lai Deguo ba) – Komm nach Deutschland!“
Tag 9 – Abschluss
Der letzte Unterrichtstag. Am Abend fand eine Abschlussveranstaltung für alle Teilnehmenden des Sommercamps statt. Wie schon bei der Eröffnung gab es auch hier wieder Grußworte der Fudan Universität und des Goethe-Instituts. Dieses Mal bereiteten aber auch die Schüler etwas vor. Sie stellten mit viel Leidenschaft und Freude kurze Präsentationen, Lieder und Sketche dar. Die Vorstellungen handelten von ihren Eindrücken und Erfahrungen während des Camps: Spaß, Freundschaft, Kontakt zu Deutschen und Deutschland. Sie alle überraschten uns mit ihrer Kreativität und ihrem Schauspiel. Unsere kleine Familie hat in den letzten zehn Tagen viel erlebt und wir sind uns alle näher gekommen. Es sind in dieser kurzen Zeit Freundschaften entstanden, die weit über das Camp hinaus reichen. Freundschaften zu und zwischen unseren kleinen Brüdern und Schwestern, zwischen den 12 Freiweilligen und zu den Organisatoren.
Große Augen, lachende Gesichter, Umarmung – Auf Wiedersehen!
Van Tuong Dang – Einer von zwölf Freiwilligen