

Globale Kooperation gegen Rassismus und Vorurteile
Die Lampen sind aus und die Fenster sind offen, das Zimmer vermittelt sehr natürliche und lockere Gefühle. Die im Halbkreis sitzenden Schüler blicken auf einen Mann, der vor ihnen steht: Er hat lange, blonde Haare und ist leger und bequem angezogen. Alle sind momentan still, während der Vogelgesang als Hintergrundmelodie von außen reindringt. Die allgemeine Atmosphäre ist offen und tolerant.
Diese Offenheit und Toleranz zeigt sich auch bald im Gespräch: Der Leiter, Rafael Rickfelder, 23, bittet die Schüler, ihre Erfahrungen mit Rassismus und Diskriminierung in einer Simulation mit wahllos zugewiesenen Identitäten zu teilen. Die einen sind Flüchtlinge, die anderen zum Beispiel deutsche Schüler mit reichen Eltern. Danach sprechen sie über Diskriminierung in ihrem eigenen Leben: Das wirklich Berührende.
„Manchmal ist es schwierig, ein Mädchen in Brasilien zu sein, weil Mädchen da weniger Chancen haben“, berichtet die 16-jährige Joana. Andere Schüler nicken—das sei bei ihnen in ihren Ländern auch der Fall. Joanas Kommentar führt zu einer Diskussion über Diskriminierung: Rassismus ist lange nicht der einzige Grund, wieso es Vorurteile gibt.
Rafael Rickfelder bewegt sich Richtung Tafel. Dort hebt er einen Stift auf und bearbeitet langsam eine Liste der verschiedenen menschlichen Qualitäten, die zur Beurteilung durch andere beitragen: Herkunft, Fähigkeiten und Hobbys.
Zum Thema Diskriminierung aufgrund der Herkunft haben wohl viele etwas zu sagen, vor allem die Schüler aus Griechenland. „Griechenland ist oft nur wegen seine Krisen bekannt, aber nicht für seine schönen Inseln“, meint der 16-jährige Jannis. Übereinstimmend fügt seine Mitschülern Vicky, auch 16, hinzu: „Viele Leute denken, dass sie mir nicht vertrauen können weil ich Griechin bin.“ Die Gruppe ist einen Moment still, denn es stimmt: In letzter Zeit sieht man nur Schlechtes über Griechenland in den Medien. Doch diese beiden Schüler sind ein gutes Beispiel dafür, dass es viel mehr in Griechenland gibt als Finanzkrisen und korrupte Politiker und dass man auch nicht die Bevölkerung eines Landes wegen der Fehler einger Leute beurteilen sollte. Rickfelder bestätigt diese traurige Realität: „Herkunft ist was, worauf die Leute sich wahnsinnig gerne drauf setzen.“
Die Finanzkrise ist lange nicht das einzige, das Politik und Rassismus verbindet. Mit der jetzigen Flüchtlingskrise in Europe ändern sich die Ideologien der Menschen schnell—und zwar gehen sie hauptsächlich nach rechts. Vor allem in Deutschland, wo im Jahr 2015 laut des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge 1,1 Millionen Flüchtlinge ins Land kamen und es 476.649 Asylanträge gab, beobachtete man im letzten Jahr unheimlich beunruhigende Entwicklungen in Sachen Rassismus und Rechtsradikalismus.
Umfrage
Das PASCH-net-Radioteam fragte: Wie kann man die Vorurteile bekämpfen“?Rassismus war schon immer in jeder Kultur, in jedem Land, und zur jeder Zeit ein gewisses Problem—mal mehr und mal weniger und in unterschiedlichen Ausprägungen. Besonders bekannt im Fall Deutschlands ist natürlich die Zeit des Dritten Reiches. Doch trotz vieler Fortschritte in den letzten Jahrzehnten und der Entwicklung einer Kultur der Toleranz („Willkommenskultur“—auf die die Politiker so gerne hinweisen), ist der Aufstieg der fremdenfeindlichen Kriminalität ein Kennzeichen der letzten drei Jahren in Deutschland. Die Welt berichtet, dass 2015 jeden Tag mindestens eine Person Opfer fremdenfeindlicher Gewalt war: Mitte September letzten Jahres gab es schon 389 eingetragene Fälle. Diese Zahl—so abschreckend wie sie schon ist—enthält aber gar nicht die etlichen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, die es 2015 gab: 850. Insgesamt waren da 1239 fremdenfeindliche Fälle der Kriminalität und Gewalt—mehr als drei pro Tag.
2014 zeigte sich noch ein ganz anderes Bild. Die Amadeo und Antonio Stiftung erzählt von insgesamt 328 Angriffen: Übergriffe, Brandanschläge und andere Straftaten. Obwohl diese Statistik immer noch erstaunlich und auch beunruhigend ist, ist sie viel niedriger als die vom folgenden Jahr. Dies ist eine Erhöhungsrate von 911 Anschlägen pro Jahr—ein Zeichen, dass sich der Rechtsradikalismus im Zusammenhang mit Rassismus unheimlich stärkt.
Aber woher stammt der Rassismus? Diese Frage bearbeiten die Schüler des „Anti-Rassismus-Workshops“ auch, und zwar fällt dies unter das Thema „Aussehen“— eines der letzten Schlüsselwörter, die Rickfelder an die Tafel schrieb. Fynn, ein 16-Jähriger aus Hamburg, hat eine Theorie: „Es gibt immer ein gewisses Bild in der Gesellschaft, und wenn man aus dem Raster fällt, dann gucken alle hin.“ Solche Ideale führen dann auch zu einem bestimmten Nationalbild, das Fremdenfeindlichkeit fördert und pflegt. So ist die Partei AfD (Alternative für Deutschland) 2013 in Deutschland entstanden. Ihre politische Auffassung ist Nährboden für rassisstische Gedanken und könnte die vielen Angriffe, die es jetzt gegen Migranten und Flüchtlingen gibt, begünstigt haben. In den drei Landtagswahlen, die im Frühjahr 2016 stattfanden, gewann die AfD mindestens den dritten Platz und so auch Sitze in den Landtagen von Baden-Württemberg (15,1%), Rheinland-Pfalz (12,6%), und Sachsen-Anhalt (24,3%).
Obwohl die AfD viele Stimmen von Wählern bekam, die zuvor andere Parteien wählten, hat die Partei auch viele Nichtwähler mobilisiert. Dass heißt, dass das Gefühl der Benachteiligung durch die Anwesenheit von Ausländern in den letzten Jahren sehr gewachsen ist und dass der Rassismus einen neuen Höhepunkt erreicht hat.
Doch Rafeal Rickfelder und seine Organisation „Schule Ohne Rassismus“ wollen diesen Trend schrittweise ändern. Dabei handelt es sich nicht um eine eigentliche Schule, sondern um ein deutschlandweites Netzwerk, das Workshops und Projekte in Schulen leitet, um eine andere und offene Denkweise in der Jugend zu pflegen. Normalerweise arbeitet dieses Projekt länger mit Schulen zusammen. Aber die PASCH-Schülerkonferenz ist durch ihre kurze Dauer anders, doch nicht weniger wert. Im Gegenteil ist diese Erfahrung hier ganz besonders, denn 17 Schüler aus sieben verschiedenen Ländern, die teilweise sogar miteinander im Konflikt sind, friedlich im selben Zimmer zu haben und sie beim Gespräch von ganz persönlichen Themen zu beobachten, ist unheimlich berührend. Das gibt einem in einer Welt voller AfD, Fremdenhass und Rassissmus irgendwie auch ein bisschen Hoffnung für die Zukunft.
Allison Meakem aus den USA
Heute möchte ich euch Allison Meakem vorstellen. Dieses sehr interessante 18-jährige Mädchen kommt aus Amerika und wohnt in Washington. Sie spricht viele Sprachen, Türkisch, Französisch, Japanisch und vor allem Englisch und Deutsch. Diese letzten beiden sind ihre Muttersprachen. Allisons Mutter kommt aus Deutschland und ihr Vater war früher ein Diplomat in Deutschland. Sie hat eine sehr interessante Familiengeschichte: Ihr Vater ist ihrer Mutter in Saarbrücken auf einer Konferenz begegnet. Dann sind sie nach Honduras umgezogen und dann nach Amerika, wo Allison geboren wurde. Sie hat zwei jüngere Brüder, die 16 und elf Jahre alt sind. In Zukunft weiß sie noch nicht, was sie studieren möchte. "In Amerika muss man nicht unbedingt wissen, was man studieren wird", sagt sie. In Amerika haben sie da ein anderes Bildungssystem.
Aber Allison mag vor allem internationale Entwicklung und möchte ihre Zukunft irgendwie damit verbinden. Sie reist auch viel, fast jeden Sommer ist sie in Deutschland für einen Monat lang. "Meine Familie ist eine reisefreudige Familie", sagt sie. Ihr Lieblingssport ist Turnen, Allison liest Zeitungen und Romane. Man kann sagen, dass sie ein sehr interessanter Mensch ist. Sie fördert Menschenrechte und wie sie sagt: "Ich nehme die Sachen manchmal zu ernst und bin auch oft ärgerlich", aber bis jetzt hat sie ihre Schwäche nicht gezeigt. Insgesamt kann ich sagen, so ein Mädchen zu treffen ist zur Zeit sehr selten, nicht böse gemeint. Sie ist sehr gut in verschiedenen Dingen und ist sehr ehrgeizig. Ich kann selbst sagen, heutzutage braucht unsere Gesellschaft solche Menschen wie Allison, denn viele Jugendliche wissen nicht, was sie in verschiedenen Situationen tun sollen. Und es soll mehr Menschen geben, die zielstrebig sind, denn dank ihnen wächst unsere Zusammengehörigkeit.
von Ilya Pondin
Allison Meakem
Deutsche Sprachschule Washington, DC (DSS Washington)