

Die Tradition des Waseda-Orchesters
Wie sieht Ihre Aktivität aus?
Das Waseda-Orchester besteht aus etwa 250 Studenten. Leider verringert sich die Mitgliederzahl jedes Jahr. Wir üben in einer Halle, die in der Nähe der Waseda-Universität liegt. Weil unser Orchester sehr groß ist, müssen wir in einer großen Halle üben. Leider gibt es an der Uni keinen Platz für uns, weil es dort schon zwei Orchester gibt. Außerdem gibt es noch ein paar Streichorchester und Chorgruppen usw. Unsere Konzerte finden in beliebten Konzerthallen statt, zum Beispiel in der Opera City, der Suntory-Halle und dem Tokyo Metropolitan Theater. Wir spielen drei Mal in der Woche zusammen. Dazu üben die Mitglieder individuell. Ich finde es normal, dass die Studenten dreimal in der Woche zusammen üben.
Was ist Ihr Ziel?
Als Orchester bessere Musik zu machen – das setzen wir uns zum Ziel. Wir sollten die gute Tradition übernehmen und gleichzeitig schlechte Gewohnheiten aufgeben. Auf jeden Fall möchten wir gute Musik machen. Dafür bilden wir eine sichere Organisation, damit wir uns nicht individuell, sondern zusammen verbessern. In diesem Orchester versucht der Vorstand, alle Mitglieder zu verstehen. Wir überlegen immer, was wir gut machen können und wählen so die Musik aus. Weil die Zahl der Anfänger im Orchester etwa zehn Prozent ausmacht, ist es uns wichtig, gemeinsam das Niveau zu heben. Das bedeutet nicht, dass sich die Anfänger technisch verbessern, sondern dass alle zusammen gut spielen. Daher planen wir sehr gut die Übungen, bevor wir damit anfangen. Am Ende können fast alle Mitglieder gut spielen. Ab und zu kommt es vor, dass ein Mitspieler vom Anfänger zum besten Spieler wird. Unser Ziel ist es nicht, die musikalische Technik zu lehren. Herr Tanaka leitet uns an, aber er lehrt nur die Grundlagen. Wir sollen uns selber überlegen, wie wir die Musik verbessern können. Jeder hat seine Rolle und macht kleine Fehler. Danach können aber alle verstehen, was man besser machen kann.
Dann möchte ich Sie nach der Konzertreise nach Europa fragen. Wann und wo waren Sie?
Vom 20. Februar bis zum 22. März 2015, fast einen Monat, waren wir in Europa und haben Konzerte gegeben. Wir waren in drei Ländern, in Deutschland, Österreich und Frankreich. Genauer gesagt, in dreizehn Städten, Frankfurt, Bayreuth, Nürnberg, Salzburg, Wien, München, Dresden, Berlin, Leipzig, Oberhausen, Köln, Wiesbaden und Paris. Obwohl wir sehr beschäftigt waren, konnten wir in der Zwischenzeit Stadtbesichtigungen machen.
Was haben Sie gespielt?
Wir haben hauptsächlich Werke von Richard Strauss, zum Beispiel Also sprach Zarathustra gespielt, weil er ein repräsentativer Komponist aus Deutschland ist. Unser Spiel wurde sehr gelobt. Vor allem „Monoprisma für japanische Taikos und Orchester“ des japanischen Komponisten Maki Ishii hat auf die Zuschauer einen sehr guten Eindruck gemacht. Wir haben dieses Stück mit dem Taiko-Spieler Eitetsu Hayashi gespielt. Wir glauben, dass die Bedeutung einer solchen Reise ist, andere Kulturen vorzustellen und das gegenseitige Verständnis zwischen Europa und Japan zu verbessern. Eigentlich wünschen wir uns den Frieden in der Welt. Ich glaube, dass es hoch geschätzt wurde, mit den Taikos die japanische Kultur auszudrücken. In „Monoprisma“ sind die Taikos das Symbol für Japan und das Orchester das Symbol für Europa. Die beiden Kulturen sind in „Monoprisma“ also sehr gut gemischt. „Mono“ bedeutet die Einheit und „Prisma“ die Vielfalt. Das ist sehr interessant. Wir hoffen, dass dieses Programm zum Verständnis zwischen den Kulturen beiträgt.
Haben Sie einen Unterschied gefühlt, als Sie in Deutschland gewohnt und gespielt haben?
Ja, wir haben in vielen Situationen einen Unterschied gespürt. Mir ist aufgefallen, dass die Unterhaltungsindustrie in Deutschland nicht so stark wie in Japan ist. Es sah aus, als würden Deutsche die klassische Musik mehr genießen als Japaner. Wir glauben, dass ein Konzert oder die Oper den Deutschen nach der Arbeit viel Spaß macht. Im Übrigen wurde auf der Straße oft klassische Musik gespielt und in der Kirche fanden regelmäßig Konzerte statt. Klassische Musik ist in Japan in der Minderheit, aber in Deutschland spielt sie eine große Rolle, so glauben wir. Weil das Klima in Deutschland ziemlich trocken war, haben die Saiten- und Schlaginstrumente sehr gut geklungen und wir konnten sie leicht stimmen. In verschiedenen Situationen konnten wir den Charakter in Deutschland stark fühlen. Zum Beispiel war das Hofbräuhaus nicht bis spät in die Nacht geöffnet und es gibt keine Convenience-Stores, die den ganzen Tag geöffnet haben. Wir haben erkannt, dass es zwischen der öffentlichen und privaten Zeit eine deutliche Grenze und strenge Regeln gibt, und dass für die Deutschen die klassische Musik eine wichtige Unterhaltung in der privaten Zeit ist.
In welchen Musikstücken ist das Waseda-Orchester stark?
Natürlich sind wir bei deutscher Musik stark, zum Beispiel Die Meistersinger von Nürnberg von Wagner, Akademische Festouvertüre von Brahms usw. Um als Orchester bessere Musik zu machen, stellen wir Richtlinien auf. Alle üben auf die gleiche Art. Die Einheitlichkeit der deutschen Musik lässt unsere Musik reifen, vor allem Beethovens Musik, die einfache Struktur hat, weil die Rhythmen eintönig sind. Man übt gleich und schafft das Stück. Dadurch entwickelt sich die Musik. Das beeinflusste Brahms. Die deutsche Musik hat im Grunde eine solche Einheitlichkeit. Die Post-Romantik hatte die Musik von zum Beispiel Wagner und Brahms zur Folge. Zu den Großen in der Post-Romantik zählt man Richard Strauss, dessen Musik wir in Deutschland gespielt haben. Wir können die Bedeutung der gemeinsamen Arbeit begreifen, wenn wir mit dem Thema „Einheitlichkeit“ diese Werke spielen. Unter diesem Gesichtspunkt wählen wir die Musikstücke aus. Tschaikowski ist Russe und für uns ein interessanter Komponist, weil er im Zusammenhang mit der deutschen Musik die charakteristische Stimmung der Harmonie gebildet hat. Aus der klassischen Schule spielen wir nicht nur Beethoven, sondern auch Mozart. Andererseits spielen wir nicht oft Mahler, dafür aber Bruckner. Nach drei Jahren können wir verstehen, wie der Ton als Orchester reift. Danach erwartet uns die Konzertreise. Mit dieser Tradition reift der Ton des Orchesters.
Warum spielen Sie deutsche Musik?
Erstens, weil das die Methode von Herrn Tanaka ist. Das heißt, dass wir durch die deutsche Musik verstehen, was eigentlich ein Orchester ist. Nur das Waseda-Orchester als Universitätsorchester hat diese Sitte. Jedes Orchester in Deutschland hat den charakteristischen Ton seiner Region. Wir versuchen, den einzigartigen Ton des Waseda-Orchesters zu bilden und weiterzugeben. Im ersten Jahr üben wir Werke wie Die Meistersinger von Nürnberg und können dadurch deutsche Musik erleben. Im zweiten und dritten Jahr planen wir ein Programm, durch das wir die geschichtliche Entwicklung der deutschen Musik begreifen. Es erstreckt sich von der Klassik bis zur Romantik, von Beethoven bis zu Richard Strauss. Weil es bei uns üblich ist, durch den Klang der deutschen Musik zu reifen, haben wir immer noch die gleiche Methode. Außerdem befindet sich die Grundlage der Orchestermusik in Deutschland. Obwohl die klassische Musik in Italien entstanden ist, spielt ein Orchester dort nur eine begleitende Rolle in der Oper. In Deutschland hat sich das Orchester selbstständig entwickelt. Mit der Zeit hat sich das Zentrum der Kultur verlagert. Als sich das Orchester entwickelt hat, wurde Deutschland zum kulturellen Zentrum. Danach wurde in den USA der Jazz geboren. Etwa in den 1960er Jahren stand Japan an der Spitze der zeitgenössischen Musik. Kurz gesagt – Deutschland war das Zentrum für die Popularität des Orchesters. Deshalb üben wir grundsätzlich zuerst verschiedene deutsche Stücke. Dadurch verfeinert sich unsere Methodik und wir versuchen, unseren eigenen Klang zu schaffen. Wir halten es für wichtig, die von den Deutschen gebildete traditionelle Musik wiederzugeben. Es ist auch wichtig, Einheitlichkeit zu schaffen, Regeln für Konzerte aufzustellen und diese zu befolgen. Wir möchten, dass jeder die Absicht hinter den Regeln versteht. Vor und nach dem Zusammenspielen lehren die Älteren den Jüngeren diese Tradition. Meistens versteht man die Absicht, wenn man älter wird. Danach kann man im Waseda-Orchester eine aktive Rolle spielen.
Was war erfolgreich bei der Konzertreise nach Deutschland?
Wir konnten erleben, dass es zwischen Japan und Deutschland einen sehr großen kulturellen Unterschied gibt und dass es in Deutschland Menschen gibt, die andere Sichtweisen haben. Die Reise war erfolgreich, weil wir eine andere Kultur verstehen konnten. Außerdem haben wir seit etwa zwei Jahren dafür geübt und dann als Studentenorchester in Deutschland, der Heimat der Orchestermusik, stehende Ovationen bekommen – das war ein Riesenerfolg. Ich danke Ihnen herzlich.
Takagi Yusuke