Mein Großvater, der Vater von meiner Mutter, wohnte an der Westküste, und leider bedeutete das nicht, dass es immer warm und sonnig am Strand war. Er wohnte in einer kleinen Nachbarschaft mit riesengroßen Kiefern, und die Fahrt zum Strand war etwas länger, als wir warten konnten. Aber jedes Mal, wenn wir ankamen, waren wir so gespannt, Muscheln zu sammeln und den Sand unter unseren Füßen zu fühlen, denn wir gingen nur zum Strand, wenn wir in Oregon waren. Meine Schwester und ich sind sechs Jahre auseinander, und weil wir damals noch jünger waren, haben wir immer neue Wege gefunden, an diesem kalten Strand, wo es kaum Sonne gab, Spaß zu haben. Bevor wir zum Strand kommen konnten, mussten wir über eine Sanddüne klettern. In unserer Fantasie stellten wir uns vor, dass wir irgendwo in der Wüste waren und dass diese Düne das Ende der Wanderung war. Es war immer ein Wettbewerb, wer am schnellsten hochrennen konnte, aber der Sand hatte immer andere Ideen. Wir krabbelten, sind gefallen und haben mit frustrierten Fäusten Sand geworfen, bis wir so laut lachten, dass wir nicht mehr aufstehen konnten! Als wir zur anderen Seite kamen, wo unsere Eltern die unruhigen Wellen beobachteten, fanden wir auch immer Blasentange, und weil wir neugierig waren, haben wir sie mit unseren rosaroten Crocs zerplatzt. Immerzu, wenn wir sie zerquetschten, sagte meine Schwester: „Es hört sich an wie Luftpolsterfolie!”, und wir marschierten weiter und zerquetschten mehr. Wir liebten die Küste, obwohl es dort kalt war. Mein Großvater trug die Jeansjacke überall, und er hatte sie immer mit, wenn wir dahin gingen.
Wir mussten natürlich durch den Wald fahren, um zu der Küste zu kommen, und so zeigte mein Opa uns immer einen Platz, wo man im Wald spazieren gehen konnte. Oregon gibt einem das Gefühl, als ob es gerade geregnet hat, auch wenn es sonnig ist, und so waren unsere Expeditionen durch den Wald als Familie immer erfrischend. In seiner geliebten Jacke trug mein Opa alles: Taschentücher, Snacks, Landkarten und auch sein Taschenmesser. Die tiefen Taschen konnten alles halten, oder zumindest dachte ich das, als ich klein war. Das Beste daran waren die Lakritzstangen, die er herumtrug, denn wir bettelten immer, aber er sagte: „Erst nach dem Abendessen!” Sein Taschenmesser gebrauchte er ständig, wenn wir im Wald wanderten, denn wie sollte er sonst unsere Pfifferlinge schneiden und sammeln? Mein Vater nahm diese Gewohnheit auch an, ein Taschenmesser zu tragen, und mit zwei Messern ging unsere Suche nach diesen himmlisch goldenen Pilzen viel schneller. Zwei Meilen gingen wir, bis zu einem See, und dann mussten wir auch noch zurückwandern. Wichtig war es auch, die richtige Jacke mitzubringen, denn es konnte schnell kalt werden, und mit der hohen Feuchtigkeit machte es keinen Spaß ohne Jacke.
Die Jeansjacke von meinem Opa hat schon so viele schöne Plätze auf dieser Welt gesehen, von seinem Wohnort in Oregon bis zu den verschiedenen Orten, wo er Urlaub machte, aber es ist das Einzige, woran ich mich immer erinnern kann. Manchmal vergesse ich, wie es war, mit ihm und meiner Familie in seinem Auto zu sitzen und seine klassische Musik tolerieren zu müssen, bis ich einschlief, oder was er mir sagte, als wir Blaubeeren pflückten und ich aus Versehen eine grüne Beere pflückte, aber jedes Mal, wenn ich seine Jacke anziehe, fühle ich mich warm und erinnere mich daran, wie glücklich wir alle waren, als wir mit ihm Zeit verbrachten.
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Ein Beitrag von:
Sofie Terpak
Schule:
Deutsche Sprachschule Cleveland, USA