

Common Core und Zentralabitur
Etwas, dass Deutschland und USA bisher gemeinsam hatten? In beiden Ländern wurde das Schulsystem historisch von den einzelnen Bundesländern beziehungsweise Bundesstaaten kontrolliert. Das ist anders als in Frankreich, wo das Schulsystem dafür bekannt ist, stark von der Regierung kontrolliert zu sein. Bisher wurde das meiste, was pädagogische Leistung betrifft, in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von den einzelnen Bundeländern/Bundesstaaten verwaltet. Das ist der Grund, weshalb viele glauben, dass das bayerische Abitur viel schwieriger sei als beispielsweise das Berliner Abitur. Da die Bundesländer ihre eigenen Standards entwickeln, kann es zu deutlichen Lücken im Lernerfolg führen. Weiterhin können diese Unterschiede auch Schwierigkeiten ergeben, wenn man versucht, Noten- und Testergebnisse zu vergleichen. Aber jetzt ändert sich vieles.
Schulreform in den USA
Seit dem Mandat No Child Left Behind, das 2001 von George W. Bush erlassen wurde, müssen alle 50 US-Bundesstaaten ihre Schüler jährlich prüfen, um sicher zu stellen, dass jedes Kind das Material vollständig versteht. Dazu musste jeder Bundesstaat seine eigenen Standards entwickeln, damit Schulen wissen, welcher Lernstoff in den Prüfungen vorkommt. Schulen bekommen nur Geld von der Bundesregierung, wenn die Testergebnisse sich jedes Jahr verbessern. „Dieses Programm führt zu oberflächlichem Unterricht, in dem die Kinder sich nur für die Prüfung das Material gemerkt haben, ohne es wirklich im Griff zu haben“, meint die Mutter dreier Kinder im US-Bundesstaat Virginia. Weiterhin halfen die niedrigen Standards den Bundestaaten, die Tests zu bestehen und somit finanzielle Hilfe vom Staat zu bekommen.
Eines der größten Probleme mit diesem neuen System ist, dass jeder Staat eigene Standards hat. Da schaut sich die Bundesregierung nur die Testergebnisse an, ohne sich mit dem eigentlichen Stoff vertraut zu machen. Sie wissen nicht, was geprüft wurde und wie schwierig es war. Um diese vielfältigen Probleme zu lösen, hat eine Organisation namens Common Core State Standards Initiative gleiche Standards und Prüfungen für die USA entwickelt. 45 von 50 Bundestaaten haben diese Standards angenommen und sich dem Land angepasst.
Zentralabitur: Deutschlands Versuch, Niveauunterschiede los zu werden
„Es war nicht unser Ziel, ein Einheitsabitur zu konzipieren, sondern die Vergleichbarkeit herzustellen”, sagte Ludwig Spaenle (CSU; Christlich-Soziale Union, Partei in Bayern), der Kultusminister Bayerns, der Bayerischen Rundschau. Bayern ist tatsächlich eins der sechs Bundesländer, die ab dem Schuljahr 2013/2014 ein zentrales Abitur schreiben. Spaenle erzählte, dass die Prüfungen in allen Bundesländer nicht genau gleich werden, aber dass sie gleich schwierig werden. 2017 sollen die Prüfungen in ganz Deutschland in den vier Kernfächern (Deutsch, Mathematik, Englisch, und Französisch) aufgenommen werden, um die Niveauunterschiede der Abiturprüfungen in den verschiedenen Ländern zu beseitigen. Spaenle meint, dass diese neue Vergleichbarkeit im Kurrikulum sehr nützlich sei, wenn Schüler die Schule wechseln, und ein neues Gymnasium in einem anderen Bundesland besuchen.
Streit in den USA: die Unzufriedenheit der Eltern
Aber in den USA, wo sich Republikaner und Demokraten oft über die Macht des einzelnen Staates und der Bundesregierung streiten, kam diese neue Methode nicht bei allen gut an. Da das Land geographisch so groß ist, meinen viele Politiker sowie auch Eltern, dass ein Kind in Kalifornien, angesichts der geographischen und historischen Unterschiede und Einzelheiten, nicht dasselbe lernen sollte, wie ein Kind in Massachusetts. Um diesen Reaktionen aus dem Wege zu gehen, geben manche Bundesstaaten, die das Common Core benutzen, den Prüfungen und Standards einen anderen Namen. Florida nennt die Standards jetzt zum Beispiel Next Generation Sunshine State Standards (wörtlich, US-Englisch: Nächste Generation Standards des sonnigen Staates), nachdem sich viele Eltern beschwert haben, dass ihre Kinder mit dem Common Core keine gute pädagogische Ausbildung erhalten würden. Debbie Higginbotham, eine Mutter von sechs Kindern aus Jacksonville, erzählte der Washington Post, dass die Politiker, die die neuen Namen erfunden haben, die unengagierten Eltern betrügten. Deshalb macht sie jetzt mit drei ihrer Kinder Hausunterricht.
Obwohl die USA kein Abitur-Äquivalent hat, haben Oberstufenschüler die Option, Advanced Placement Prüfungen zu schreiben, womit man sogenannte Credits an einer Universität bekommen kann. Diese Prüfungen, sowie auch die standardisierten Aufnahmeprüfungen (SATs) sind aber im ganzen Land gleich, und davon abgesehen auch messbar, vor allem auch bei der starken Konkurrenz, die zwischen US-amerikanischen Schülern entsteht, um auf einer Uni angenommen zu werden.
Chancengleichheit und Vergleichbarkeit: die Motivationen der Deutschen
Chancengleichheit und Vergleichbarkeit sind die Hauptgründe, weshalb das Zentralabitur in Deutschland eingeführt wird. Viele Deutsche meinen, dass es schwierig ist, pädagogische Leistungen einzuschätzen, wenn Abiturnoten aus verschiedenen Staaten anderes bedeuten. Pädagogen hoffen, dass man die akademische Kompetenz der Schüler aus mehreren Bundesländern mit dem neuen System besser vergleichen kann.
Dass Deutschland und die USA genau zur selben Zeit ihre Schulsysteme verändern, und akademische Standards bundesweit einführen, zeigt, dass sich die Pädagogik entwickelt.
Allison Meakem
Deutsche Sprachschule Washington, DC (GLC)