

Perm ist eine Reise wert!
09
2014

Die Schule 12 befindet sich im Zentrum von Perm und hat erweiterten Deutschunterricht. Die Schüler erhalten dort mehr und intensiveren Unterricht in Deutsch und können als Abschluss das Zertifikat C1 des Goethe-Instituts erwerben. An dieser Schule unterrichtet Frau Mette Liebermann seit 2011. Ich hatte die Gelegenheit, ihr die folgenden Fragen in einem kleinen Interview zu stellen.
Wie sind Sie an die Schule 12 gekommen und seit wann sind Sie in Perm?
Ich bin seit September 2011 in Perm. In einem sogenannten Schulverwaltungsblatt, das in deutschen Schulen, in meinem Fall in einer Schule in Niedersachsen, für Lehrer zur Verfügung steht, habe ich eine Stellenausschreibung für eine Lehrtätigkeit in Perm gefunden und habe mich darauf beworben.
Wie waren Ihre ersten Eindrücke von Perm?

Gleiches gilt für die Wohnverhältnisse. Die Einrichtung der Wohnung, in der ich untergebracht bin, entspricht zwar nicht meinem Geschmack, aber meist funktioniert alles.
Was die menschlichen Kontakte nach meiner Ankunft aus Deutschland angeht, erinnere ich mich, dass mir eine große Offenheit entgegenkam. Das empfand ich als sehr angenehm. Und nicht zu vergessen eine große Hilfsbereitschaft meiner russischen Deutschkolleginnen!
Hatten Sie einen „Kulturschock“?
„Kulturschock“?! Zu Kultur gehört ja die Sprache. Und das war wirklich schockierend, wie wenig ich am Anfang verstand, obwohl ich vor meiner Reise hierher versucht hatte, mich ein wenig auf die Sprache vorzubereiten, aber über Alphabet und einige kleine Sätze kam ich nicht hinaus. Immerhin war ich froh, dass ich auf den Straßen, in den Geschäften die Wörter entziffern und damit im Wörterbuch nachschlagen konnte.
Mittlerweile traue ich mich aber auch ohne Wörterbuch aus dem Haus. Noch etwas Positives: Mehr als von einem Kulturschock würde ich von einer kulturellen Bereicherung sprechen, denn zu Kultur gehören neben der Sprache ja auch Musik und Tanz. Ich bin hier mehr als in Deutschland eine begeisterte Besucherin von Konzerten, Ballettaufführungen (modern und klassisch) und anderes! Ich liebe die bis ins kleinste Detail durchdachten KLASSISCHEN Inszenierungen.
Worin unterscheidet sich eine russische von einer deutschen Schule?
Ich kann natürlich nur von den Schulen berichten, die ich kenne. Und das sind sehr wenige! Vorsicht also vor Verallgemeinerungen! Hier nur einige Erfahrungen aus meinem kleinen Kosmos. In Deutschland habe ich an einem sehr großen Gymnasium mit ca. 1.500 Schülern unterrichtet – dementsprechend unpersönlich war die Atmosphäre, zumal man weiß, wie groß die Klassen in Deutschland sind – meist hatte man zu tun mit durchschnittlich 30 Schülern pro Klasse (in der Oberstufe natürlich einige weniger).
Die Schule Nr. 12 dagegen hat circa 500-600 Schüler und vereinigt in einem Gebäude Grund- und sozusagen Oberschule. Ist ja klar, dass eine viel herzlichere Atmosphäre herrscht – erst recht, weil die Lerngruppen für den Deutschunterricht geteilt werden.
Natürlich geht man als Lehrer in eine Klasse mit 15 Schülern ganz anders herein als in eine Klasse mit 30 Schülern – überspitzt formuliert: 15 potentielle Störenfriede weniger.
Insgesamt kann ich sagen, dass ich hier in Russland ein wesentlich herzlicheres Verhältnis zu den Schülern habe als in Deutschland, was aber, wie gesagt, wohl auch mit den oben genannten Umständen zu tun hat. Nicht zu vergessen aber auch das angenehme Verhalten der Schüler, die dankbar dafür sind, ihre Deutschkenntnisse an einem deutschen Muttersprachler ausprobieren zu dürfen, und das funktioniert meist sehr gut.
Ansonsten könnte ich als einen großen Unterschied noch die höhere Flexibilität im Schulalltag in Russland nennen – manchmal empfinde ich sie als positiv, vor allem dann, wenn ich davon profitiere, nur selten ärgere ich mich über diese Flexibilität; das ist dann der Fall, wenn es zu organisatorischen Problemen in Zusammenhang mit Prüfungen führt.
Nun fragt man sich sicherlich, was ich mit Flexibilität meine: Nun, zum Beispiel in Fragen des Stundenplans. Wir arbeiten hier wegen des Platzmangels in zwei Schichten (1. Schicht: morgens – mittags, 2. Schicht: mittags – abends). Ich als Langschläferin genieße es (im Winter noch mehr als in den übrigen Jahreszeiten) mehr in der zweiten als in der ersten Schicht zu unterrichten!
Noch einige Worte zu den Ferien: Insgesamt haben wir über das Jahr verteilt wenige Ferien, und hier ist es durchaus üblich, in den kürzeren Ferien, wie zum Beispiel jetzt in den Herbstferien, die Schüler in die Schule „einzuladen“, weil zum Beispiel bald wichtige Prüfungen anstehen. Oder man nimmt in den Ferien an den schon erwähnten Sprachlagern als Muttersprachler teil. Das klingt für einen deutschen Lehrer, der einen klaren Unterrichts- und Ferienplan gewohnt ist, befremdlich, aber ich genieße diese Freiheit, weil dann ja im Sommer die langen zwei bis drei Monate unterrichtsfreie Zeit locken! Und das macht die über das Jahr verteilte Mühe wett!
Vieles mehr könnte man wohl zu dieser Frage noch sagen, aber dafür wäre wohl eher der Platz einer ganzen Zeitungsausgabe notwendig….
Ist Perm eine Reise wert?
Auf jeden Fall ist Perm eine Reise wert! Ich hatte schon oft Besuch, und alle sind begeistert gewesen und mit einem Koffer voller schöner, spannender Erfahrungen zurück nach Deutschland geflogen. Insgesamt waren schon acht Bekannte/Freunde/Familienmitglieder hier!
Welche Eindrücke haben sich bei Ihnen von Russland eingeprägt?
Das klingt ja so, als würde ich bald abreisen, aber ich bleibe ja noch ein bisschen. Wie dem auch sei, viele Eindrücke…aber ich versuche mich, auf die besonders einprägsamen zu konzentrieren: die große Hilfsbereitschaft meiner russischen Kollegen, unsere kollegiale Zusammenarbeit, die ich sehr schätze und nebenbei bemerkt in Deutschland in diesem Maße nicht erlebt habe, die Herzlichkeit so einiger Schüler, die mich manches Mal meine Traurigkeit, die durchaus vorkommen kann, vergessen lassen.
Außerhalb der Schule: die große Neugierde, die mir als Deutsche entgegengebracht wird und damit einhergehend auch Großzügigkeit – bestes Beispiel dafür eine lange Zugfahrt, während der mit Händen und Füßen kommuniziert wird, bei der vor allem aber die für die lange Fahrt zubereiteten Vorräte geteilt werden….diese Erfahrungen fand ich überwältigend!

Mein Name ist Alina und ich lerne Deutsch schon seit acht Jahren. Mein Hobby ist die Musik, in meiner Freizeit spiele ich Gitarre. Darum möchte ich später einmal die Musikfachhochschule in unserer Stadt besuchen und eine bekannte Musikerin werden.
Gymnasium Nr. 8, Perm
