Wie hat meine Familie vor 100 Jahren den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erlebt? Waren meine Urgroßeltern direkt vom Krieg betroffen? Schülerinnen und Schüler aus Frankreich und Portugal haben in ihren Familien nachgefragt. Im ersten Teil der Serie „Familienbande 1914/2014“ erzählt euch Inês aus Portugal, wie ihre Familie zur Zeit des Ersten Weltkriegs gelebt hat.
Meine Familie kommt aus dem „Baixo Alentejo“. Diese Region im Süden von Portugal war, und ist heute noch, sehr arm. Damals waren die Familien sehr arm oder sehr reich. Die Mittlere Klasse existierte nicht. Es gab sehr viele soziale Ungleichheit.
Familie Silvestre
Meine mütterliche Familie gehörte zu einer Minderheit, eine privilegierte Gruppe, die in einem guten Haus wohnte, die immer genug Essen hatte und die sogar etwas Geld hatte.
Auf diesem Foto (Foto 1) können wir die Tante von meiner Mutter und ihren Mann sehen. Sie heiβt Frau Mariana. In diesem Foto war sie zwanzig Jahre alt und jetzt ist sie 100 Jahre alt (Foto 2).
Das bedeutet, dass sie in 1914 geboren ist, am Anfang des Ersten Weltkrieges. Natürlich erinnert sie sich nicht an den 1. Weltkrieg, aber sie hat mir viele Geschichten von ihren Eltern erzählt.
Über den Ersten Weltkrieg hat mir Tante Mariana jedoch fast keine Geschichten erzählt. Sie denkt, dass die Leute, die ärmeren, sich nicht für den Krieg interessiert haben, weil für sie Europa/die Welt eine andere Realität war, eine Realität, die sehr weit weg war.
Ihr Vater hat als Aufseher im größten Herrenhaus im „Baixo Alentejo“ gearbeitet. Das war eine sehr gute Stelle. Er ist auf einem Pferd geritten und hat auf die Arbeiter aufgepasst und er wurde dafür bezahlt. Seine Familie durfte in einem großen Haus leben und hatte genug Geld, um ein sorglosen Leben zu führen.
Familie Mestre
Meine väterliche Familie gehörte zu der niedrigeren Klasse. Mein Urgroßvater (Foto 3) väterlicherseits ist 1899 auch im „Baixo Alentejo“ geboren und sein Name war Herr Mestre.
Bei ihm zu Hause gab es wenig essen und keine Arbeit. Er war sehr arm und als er klein war, versteckte sein Vater das Essen, weil die Kinder – er und seine Geschwister, viel Hunger hatten. Er hat auf dem Land gearbeitet, um genug Essen zu haben.
Natürlich hatte er nicht viel Geld und sein Nachbarn auch nicht. Deswegen tauschten alle die Lebensmittel anstatt sie im Gemüseladen zu kaufen.
Die Portugiesen, wie mein Urgroßvater, haben den Ersten Weltkrieg nicht richtig bemerkt. Sie wussten, dass es ein Weltkrieg gab, aber sie interessierten sich nicht für den Krieg. Trotzdem hat dieser Krieg ihren Alltag beeinflusst, denn sie hatten weniger Essen auf dem Tisch.
Während des Krieges, in 1917, heiratete mein Urgroßvater meine Urgroßmutter und sie hatten zwölf Kinder. Acht Kinder leben noch und sie haben mir diese Geschichte erzählt.
„Familienbande 1914/2014“ – Auf Spurensuche in der eigenen Familiengeschichte vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges.
Anlässlich des Gedenkjahres 2014, in dem sich der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal jährte, haben sich PASCH-Schülerinnen und -Schüler aus Frankreich und Portugal diese und andere Fragen gestellt und Nachforschungen in ihrer Familie angestellt. Die sehr interessanten Beiträge, in denen es unter anderem um Desertation, Verzweiflung, Hoffnung, einen großen General und zu kleine Schuhe geht, lest ihr auf PASCH-Global!
Ein Beitrag von:
Inês Costa, Klasse 11A