Juliette Triquet (16) aus Frankreich berichtet von weinenden Lehrern und wachsender Solidarität.
Ibbenbüren/ Clermont de L’Oise. Juliette Triquet (16) war im Unterricht, als es passierte. Die ersten Infos waren diffus. Es habe Schüsse gegeben in einer Redaktion in Paris. Irgendwann kam der Deutschlehrer in die Klasse und erklärte, dass es ein Attentat gegeben habe auf die satirische Zeitung Charlie Hebdo: zwölf Tote. Die Schüler waren völlig schockiert. „Ein paar Lehrer haben geweint.“
Eine Woche ist das her. Gestern erschien die neue Ausgabe von „Charlie Hebdo“. Drei Millionen Exemplare waren binnen kurzer Zeit restlos ausverkauft. Normalität ist derweil längst nicht eingekehrt. Juliette und ihre Mitschüler dürfen das Gelände ihres Gymnasiums während der Schulzeit nicht verlassen. Die Raucher dürfen sogar auf dem Schulgelände rauchen, sagt Juliette.
Sie blickt zurück auf die Tage des Terrors. Die junge Französin lebt in Clermont de l’Oise, unweit der Hauptstadt, in der es passierte. Ihre Mutter arbeitet mitten in Paris. Juliette hatte vor einigen Monaten Ibbenbüren besucht und ein Praktikum bei der IVZ absolviert, hat Artikel geschrieben. Über den Angriff sagt sie: „Die Redaktion ist ein Symbol der Pressefreiheit, das Symbol der Freiheit des französischen Humors“.
Aber auch auf die persönliche Freiheit wurde durch das Attentat beschnitten. „Meine Mutter, die die ganze Woche in Paris arbeitet, war schockiert, als sie zurück kam“, sagt Juliette. Sie berichtete von einer seltsamen Stimmung in Paris. Überall Polizei und Militär. Am Bahnhof. Bei Museen. Vor Geschäften. Auf der Straße. In der U-Bahn. Plakate und Fotos sind überall zu sehen, den ganzen Tag heulen die Sirenen von Polizei- und Feuerwehrautos, dröhnen Hubschrauber durch die Luft. Noch immer, eine Woche nach dem Al-Quaida-Anschlag, bewachen Polizisten die jüdischen Schulen, die Moscheen. Trotzdem gab es Anschläge, einige Moscheen haben gebrannt, in einer fand man einen Schweinekopf, erzählt Juliette traurig. Viele ihrer Freunde sind Moslems, und sie haben nichts mit dem Extremismus zu tun, der hinter dem Anschlag auf Charlie Hebdo steckt. Das ist doch klar, sagt Juliette.
„Die Brutalität dieses Attentats hat mich verletzt. Kein Wort, um diese Barbarei zu beschreiben.“
Der Anschlag wirkt nach, „wir sind noch ziemlich traurig. Die Brutalität dieses Attentats hat mich verletzt“, sagt sie. „Ich habe ‚Je suis Charlie‘-Flugblätter überall in meinem Gymnasium aufgeklebt.“ Damit tat sie es Millionen Menschen gleich. In den sozialen Netzwerken, bald auch in internationalen Medien verbreiteten sich die Bilder wie ein Lauffeuer. Politiker, Künstler und Journalisten zeigen: „Je suis Charlie“. „Diese Solidarität ist wunderschön. Menschen aus der ganzen Welt verstehen unsere Traurigkeit. Ich bekomme SMS von meinen Freunden aus Deutschland, Indonesien, Indien, Mexiko. ‚Bleib stark, Frankreich’, schreiben sie mir.“
Viele Menschen trafen mittlerweile zusammen, setzten in Paris am „Place de la Republique“ oder in Berlin am „Pariser Platz“ Zeichen für Solidarität, Demokratie, Pressefreiheit. „Wir haben keine Angst. Wir gehen alle Hand in Hand, stark, solidarisch. Meine Schulkameraden, die zu einer muslimischen Kultur gehören, haben mit Terrorismus und Extremismus nichts zu tun. Auch sie sind verletzt. Zusammen bekämpfen wir Terror, Gewalt, Grausamkeit und Hass“, erklärt Julie. Als ein „Land, das keine Angst hat.“
Ein Beitrag von:
Andrea Bracht. Der Beitrag erschien ursprünglich in der Ibbenbürener Volkszeitung.
Juliette Triquet ist Schülerin der PASCH-Schule Lycée Cassini in Clermon de l'Oise (Frankreich). Im Sommer 2014 hat sie ein Parktikum bei der Ibbenbürener Volkszeitung absolviert.