Die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH) hatte einen Wettbewerb zum Thema „Spurensuche – Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg“ ausgeschrieben. Schüler haben sich daher auf Spurensuche in ihrer Familie oder ihrem Heimatort begeben und ihre Recherchen dokumentiert. Die beiden Cousinen Mohinur Sobirova und Azizbek Jonibekzoda aus der PASCH-Schule Nr. 19 im usbekischen Urgentsch haben am Wettbewerb teilgenommen. In vitamin.de ist ihr Text zu lesen.
Unser Urgroßvater Sobirov Sodiqjon Sobirjon o´g´li ist im September 1922 im Dorf Kat geboren. Obwohl sein Vater Bauer war, konnte unser Uropa sehr gut arabisch und russisch. Er war ein gebildeter Mann. Zwei Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs ist sein Vater in den Krieg gezogen. Sodiqjon, der zwei jüngere Schwestern hatte, musste arbeiten, statt zu lernen. Aber mit 20 Jahren sollte auch er in den Krieg gehen. Die Mutter weinte, denn seitdem dieser Krieg begonnen hatte, bekamen viele Familien Berichte über den Tod der Söhne.
Im Krieg
Was Sodiqjon im Krieg erlebt hat, wissen wir von unserer Oma. Er hat ihr erzählt: „Es war Winter und sehr kalt. Wir waren in der Artillerie eingesetzt. Ich war schockiert, dass das vernünftigste Lebewesen der Erde so etwas Grausames machen kann.“ Er kämpfte mit der sowjetischen Armee bis zum Ende des Krieges. Als die sowjetische Armee kurz vor Berlin war, gab es ein wichtiges Erlebnis in seinem Leben. Die Gruppe unseres Urgroßvaters fuhr gerade mit dem Lastkraftwagen, da bemerkte er, dass sich ein Heuhaufen am Straßenrand bewegte und er informierte die anderen. Die Wagen stoppten. Hinter dem Heuhaufen waren sieben deutsche Soldaten und der Urgroßvater erhielt den Befehl, sie zu erschießen. Er wollte es nicht tun, aber er wäre hart bestraft worden, hätte er den Befehl nicht ausgeführt. Während seines ganzen Lebens – ganz besonders, als er später blind war – wiederholte er oft: „Ich hätte diese Soldaten nicht sehen und nicht erschießen dürfen! Das war eine Sünde.“
Nach dem Krieg
Nach dem Krieg blieb unser Urgroßvater freiwillig in Deutschland und arbeitete dort bis 1948. Wenn jemand über die Deutschen schimpfte, sagte er: „Die Kriegsherren, das waren die Faschisten. Das deutsche Volk jedoch ist friedlich, freundlich und fleißig. Ihr müsst das Volk und das Land kennenlernen.“ So sagte er es auch seinen Enkelkindern. Unser Held kehrte 1949 in seine Heimat zurück, heiratete, war bis zur Rente als Bauarbeiter tätig und bemühte sich um die Ausbildung seiner fünf Kinder. In seinem Kopf waren Splitterreste einer Granate geblieben. Seine Augen wurden immer schlechter, bis er im Jahre 2004 ganz blind war. Er litt sehr unter dieser Dunkelheit und wollte nie alleine bleiben. Heute lebt er nicht mehr. Vier oder fünfmal im Jahr gehen wir mit den Eltern auf den Friedhof, besuchen das Grab unseres Uropas und lesen ihm aus dem Koran vor. Wir sind glückliche Kinder, denn wir hatten nicht nur die Liebe der Eltern und Großeltern, sondern auch die Liebe der Urgroßeltern.
Ein Beitrag von:
Mohinur Sobirova, Azizbek Jonibekzoda
Schule:
Allgemeinbildende Mittelschule Nr.19, Urgentsch, Usbekistan